Ganzheitlichkeit

Ganzheitlichkeit

  • Ist die Osteopathie ganzheitlich – oder ist es der Mensch, der ganzheitlich funktioniert?

Wie kann eine körperzentrierte Therapieform Bewusstseinsräume über die Körperlichkeit hinaus eröffnen?

Wie kann sie einen möglichen ganzheitlichen Ansatz anbieten und 

damit auf die Anforderungen des Zeitgeistes reagieren?

Welchen Rahmen für ein therapeutisches Setting kann diese Therapieform aufstellen, um Körper-

Seele und Geist gleichzeitig anzusprechen?

Als Schlüsselfragen würde ich gerne folgende Überlegungen in den Raum stellen:

  • Wie lange ist unsere Berührung ein Palpieren, bis sie in einen komplexeren Sinneseindruck übergeht?
  • Wie lange sind wir im osteopathischen Begegnungsfeld in einem körperzentrierten Kontext und wann beginnen wir in der Kommunikation über das Körperbewusstsein hinaus in weitere Bewusstseinsräume vorzudringen?
  • Ab wann wandelt sich das therapeutische Setting zu einem therapeutischen Feld und dringt in Bewusstseinsräume von Resonanz vor?
  • Resonanz zwischen Therapeut u*innen und Klient*innen und Resonanz im Sinne der Anbindung und Rückerinnerung an feinstoffliche und grobstoffliche Ursprungsgelder?

Teilaspekte unserer Wahrnehmung als Funktion unserer Sinne:

Wahrnehmung:

Die Wahrnehmung im therapeutischen Arbeiten kann über die Sinne begonnen werden.
 
Hier können wir
 
palpieren,

sehen,
 
riechen
      
und hören.

Auch können wir hier noch Qualitäten von Gewebe-Strukturen erfassen, berühren.

Darüber hinaus und bereits in Kommunikation mit Wahrnehmung und gespeicherten Erinnerungen können wir auch Wärme und Kälte (Durchblutungsverhältnisse und Stagnation) erkennen, berühren.

Jedoch, wo, wenn nicht im limbischen System beginnen wir das, was uns in der Begegnung mit Patient*innen/ Klient*innen/ den Menschen berührt, zu erfassen?

Wir beginnen auf Wahrnehmungsebenen, die sehr geprägt sein können von dem Gelerntem, dem Erfahrenen und geleichzeitig gefärbt sein kann, von den Erfahrungen und Erinnerungen der jeweiligen Therapeut*innen,  und dem entsprechend das Wahrgenommene eingeordnet wird.

Hier beginnt für mich eine wichtige Überlegung,

  • wie neutral kann der Therapeut im therapeutischen Feld sein?
  • wie durchlässig (objektiv, offen, empathisch) für den immensen Informationsstrom kann der Therapeut sein?
  • wie bewusst kann ein therapeutisches Feld aufgebaut und geführt werden?

Im Moment der Kommunikation entsteht eine Resonanz zwischen zwei „Subjekten“, jedes Subjekt kommt aus seiner eigenen, individuellen Erfahrungs- und Erinnerungswelt.

Das Verständnis für einen neutralen Zugang im Sinne des biodynamischen Ansatzes bedarf vielleicht einer genaueren Betrachtung.

Ist die Osteopathie ganzheitlich – oder ist es der Mensch, der ganzheitlich funktioniert?

Wenn wir nicht die Osteopathie als eine ganzheitliche Behandlungsform betrachten, den Aspekt im therapeutischen Feld, der die Ganzheitlichkeit beschreibt, sondern den Menschen immer mehr in seiner Ganzheitlichkeit als KÖRPER-SEELE-GEISTWESEN betrachten, kann ein anderer Blickwinkel auf das therapeutische Feld entstehen.

In dieser Betrachtungsweise wird der osteopathische Zugang zu einem wunderbaren Handwerkzeug. Er ermöglicht die Kommunikation mit den unterschiedlichen Ebenen der Körperlichkeit und im therapeutischen Feld eröffnet sich eine Möglichkeit der Kommunikation über die Körperlichkeit hinaus.

Ab diesem Moment jedoch überfordert diese Kommunikationsmöglichkeit mit der Ganzheit im Sein des Menschen unsere Sinne und auch den linearen Verstand, das kognitive Erfassen des Wahrgenommenen.

Hier drängt sich sofort die Frage auf, wer nimmt wahr, welcher Aspekt im Therapeutenwesen wird angesprochen, fühlt sich angesprochen und reagiert?; welcher Aspekt versucht zu erfassen, zu verstehen und aus einem bewussten Verarbeitungsprozess heraus auch entsprechende therapeutische Maßnahmen zu setzen?

Sind es der Verstand, das fachliches Wissen, die Intuition, die eigene Geschichte, Erfahrungswerte …, die im therapeutischen Feld in Resonanz mit dem Wahrgenommenen gehen?

Ein großes Missverständnis bezüglich des biodynamischen Ansatzes liegt in der Annahme einer scheinbaren Passivität in der Rolle der Therapeut*innen

  • Im Gegensatz zu dieser Annahme, handelt sich hier vielmehr um die Fähigkeit einer geteilten Aufmerksamkeit.
  • Eine Fähigkeit, die in einem sehr speziellen Training gelernt wird und, wenn präzise angewendet, den Bogen der Wahrnehmung so lange halten kann, bis eine geteilte Aufmerksamkeit möglich wird. Diese Aufmerksamkeitsspektrum eröffnet Möglichkeitsräume für differenziertes Wahrnehmen und Einordnen.
  • Ein Wahrnehmungsraum für Struktur/Funktion und die Geschichte beinahe kaleidoskopisch in ein Wahrnehmungs-Bewusstseins-Bild kommen.

Eine Fähigkeit, die es ermöglicht Informationsströme über die Sinneswelt und den linearen Verstand hinaus in einem erweiterten Wahrnehmungsfeld einzuordnen.

Natürlich bedarf es hier erneut, wie eingangs erwähnt, der Definition der Identität der Therapeut*innen.

Sind es die Maßnahmen, die die Therapeut*innen treffen, die zu einem umfassenden Ergebnis führen?
 
Oder ist es das therapeutische Feld als ein Möglichkeitsraum, der den Menschen, das Gegenüber ermutigt in sich Lösungsmomente in Verbindung mit seinem körperlichen Ursprung

  • seinen embryologischen,
  • pränatalen
  • und soziogenetischen Aspekten (Sozialisation während der Phasen von Wachstum und Entwicklung bis in die adulte Form hinein)

und seiner ganz individuellen seelisch-geistigen Anbindung, nach seinem ureigensten Potenzial zu finden?

Was landläufig oft als ein passives Abwarten
in der biodynamischen Herangehensweise verstanden werden kann, ist deutlich mehr ein Ausdruck von Demut vor den Mechanismen, wie Leben sich im grobstofflichen Körper und darüber hinaus im feinstofflichen Körper ausdrücken kann.

Es ist ein fühlendes ERFAHREN, mitfühlend aus einer Perspektive des Beobachtens, Betrachtens, Erkennens, der Lebensgeschichte des Menschen, der sich im therapeutischen Feld zu öffnen beginnt.

Das Kunsthandwerk in der Herangehensweise liegt dann in der therapeutischen Fähigkeit Schritt für Schritt die wahrgenommenen Aspekte gemeinsam mit dem Menschen entsprechend seiner ihm innewohnenden selbstregulierenden Mechanismen in seine Körperlichkeit einzuordnen:

  • Das Symptom in Relation zu den Körperfunktionen, zur Einheit der Körperfunktionen zu erkennen;
  • physiologische Kreisläufe zu verstehen und individuelle Abweichungen davon zu erkennen; Rhythmen des Körpergewebes lesen, wahrnehmen und differenzialdiagnostisch einordnen zu lernen
  • Steuerungsachsen des Nervensystems, zentral, peripher und vegetativ, differenzialdiagnostisch in ihrer Gesundheit oder Adaptation oder ihrer Kompensation zu erkennen.

Das gespeicherte Körpergedächtnis in Raum und Zeit der unterschiedlichen „Genesen“

  • Embryogenese
  • Soziogenese

und der Epigenese einzuordnen.

Den „Dazwischenheiten“ in Verbindung mit den seelischen und geistigen Aspekten im Mensch-SEIN, ein Potenzial zur Transformation zuzugestehen.

Verarbeitungsmechanismen durch Erkennen und Annehmen in das therapeutische Feld zu integrieren.

Ab diesem Moment eröffnen sich Potenziale, die wir vielleicht immer als Re-organisierende oder eben nach DR. Sutherland und auch vor allem von Dr. Becker immer wieder erwähnten inhärenten Mechanismen kennen.

Ab diesem Moment beginnt sich die Frage nach der strukturellen und viszeralen und biodynamischen Osteopathie zu erübrigen—denn es ist die Ganzheit im Menschen, die Zugriff hat auf seelisches und vor allem auch geistiges Potenzial.

Ein Potenzial, welches die Kompensation zu Adaptation, die Adaptation zu Funktion der Körperphysiologie in Richtung Gesundung führen kann.

Ich denke, wenn die Osteopathie sich als Behandlungsform immer bewusster den
Anforderungen des Zeitgeistes stellen mag, kann sie einen möglichen ganzheitlichen Ansatz anbieten, Körper- Seele und Geist gleichzeitig ansprechen,

um das bestmögliche Potenzial für die Entfaltung der Gesundung anzusprechen.

Allerdings obliegt es immer dem freien Willen des Menschen auf welcher Ebene er behandelt werden kann und möchte. 

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